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Warum dein Bauchgefühl dich täuschen kann - und was du daraus machen kannst.

Ich habe neulich mit meiner Freundin über etwas gesprochen. 

Es ging um Prägung. Und darum, wie sehr unser Umfeld unsere Vorstellung davon beeinflusst, was möglich ist - besonders im Unternehmertum.

Sie sagte, es fällt ihr schwer, sich als erfolgreiche Unternehmerin zu sehen. Nicht weil sie nicht fähig wäre. Sondern weil niemand in ihrer Familie je ein Unternehmen geführt hat. 

Ihre Freundin dagegen - Tochter und Nichte erfolgreicher Unternehmerinnen - denkt nicht einmal darüber nach. 

Für sie ist es normal.

Ich musste daran denken, wie es bei mir war. Mein Großvater war Unternehmer. 

Ich bin mit meiner Mutter alleine aufgewachsen, aber habe gleichzeitig gesehen, wie meine Großeltern lebten. Mein Großvater war Unternehmer.

Neue Mercedes. Schöne Wohnung. Ich habe gespürt: Da ist etwas, das ich auch haben kann

Ich wusste nicht genau, wie. Aber es schien möglich. Es war für mich greifbar.

Daran musste ich denken, als ich Asimovs „Foundation“ gelesen habe. 

Dort geht es um Psychohistorie - eine Wissenschaft, die die Zukunft vorhersagen kann, weil das Verhalten von Milliarden Menschen mathematisch vorhersehbar ist. Emotionen, Entscheidungen, sogar Krisen. 

Alles kann kalkuliert werden, wenn man genug Daten hat.

Der Gedanke ist radikal: Wir haben als Spezies keinen freien Willen.

Was wir tun, ist das Resultat dessen, was vor Jahrzehnten passiert ist.

Entscheidungen, die unsere Vorfahren getroffen haben. Systeme, in die wir hineingeboren wurden.

Verhaltensforscher wie Sapolsky sagen genau das. 

Auch Lisa Feldman Barrett.
Sie beschreibt Emotionen als biochemische Konstrukte. Keine objektiven Wahrheiten. Sondern Zustände, die sich aus Körper, Kontext und Erfahrung ergeben.

Sie nennt das: Affective Realism.

Wie es uns gestern ging. Wie wir geschlafen haben. Was wir als Kind erlebt haben. Alles beeinflusst, was wir heute fühlen.

Emotionen sind kein Ursprung. Sie sind ein Ergebnis.

Wenn ich das so höre, denke ich an Menschen, die oft sagen: „Ich hatte das Gefühl, es ist richtig.“

Oder: „Mein Bauchgefühl hat mich geführt.“

Aber was, wenn dieses Gefühl gar nicht echt ist?

Was, wenn es nur eine Reaktion auf alte Erfahrungen ist, die wir nie bewusst verarbeitet haben?

Dann wäre Emotion nicht der beste Berater - sondern der verzerrte Spiegel der Vergangenheit.

Und trotzdem - oder vielleicht gerade deshalb - glaube ich, dass Veränderung möglich ist.

Wenn Emotionen das Ergebnis aus Erfahrung X und Kontext Y sind, dann können wir die Gleichung neu schreiben.

Nicht, indem wir Gefühle unterdrücken.
Sondern indem wir sie bewusst hinterfragen.
Indem wir sie verstehen.

Das ist kein esoterisches Konzept. Das ist praktische Psychologie. Und Mathematik.

In Asimovs Buch heißt es sinngemäß:

„All das Leid der Menschheit lässt sich auf die Unfähigkeit zurückführen, uns wirklich zu verstehen.“

Und:

„Jeder Mensch lebt hinter einer undurchdringbaren Wand aus Nebel, in der nur er selbst existiert.“

Wenn wir als Unternehmer eine Kultur schaffen wollen, in der Menschen klarer sehen, brauchen wir Sprache. Aber Sprache ist doppelt: Sie kann verbinden - und sie kann trennen.

Wir haben gelernt, über Dinge zu sprechen.

Aber nicht, was sie in uns auslösen.
Und so verlieren wir die Fähigkeit, Emotionen zu erkennen und zu deuten.

Wenn ich das erkenne, merke ich: Ich kann mich entscheiden.
Nicht völlig frei. Aber vielleicht freier, als ich dachte.

Ich kann mich entscheiden, zu verstehen, was mich prägt.  Was mich triggert. Was mich lenkt.

Und damit höre ich auf, ein passives Ergebnis meiner Vergangenheit zu sein.

Es ist wie ein Canvas, das schon da ist.
Die Struktur bleibt. Aber ich entscheide, wie ich es bemale.

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