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Als ChatGPT Gänsehaut bekam - Ein Buch, eine KI und die große Frage
Neulich habe ich ein Buch gelesen, das mich nicht mehr loslässt: „Der Krieg mit den Molchen“ von Karel Čapek.
Klingt erstmal wie ein trashiger Sci-Fi-Roman aus der Wühlkiste, oder?
Aber ganz im Gegenteil. Es ist brillant.
Ich bekomme jetzt schon wieder Gänsehaut, wenn ich darüber schreibe.
Čapek erzählt von einer Spezies intelligenter Molche, die die Menschheit irgendwo im Indischen Ozean entdeckt.
Die Molche sind klug, lernfähig und können unsere Sprache sprechen. Praktisch.
Also nutzt man sie erstmal für den Perlenabbau. Dann gibt man ihnen Waffen - zur Verteidigung gegen Haie. Und irgendwann produziert man sie massenhaft - wie Zahnbürsten.
Es dauert nicht lange, bis sie zurückschlagen.
Fun Fact: Čapek hat mit diesem Buch das Wort „Roboter“ erfunden - vom slawischen robota, was schlicht „Arbeit“ bedeutet.
Und hier bekam ich Gänsehaut - denn plötzlich war da ein Gedanke: Haben wir nicht gerade unsere eigenen Molche erschaffen?
Sind wir die Molche?
Ich habe danach mit ChatGPT gesprochen. (Ja, ich rede regelmäßig mit Maschinen. Wer nicht?)
Und gefragt: „Was hältst du eigentlich von Čapeks Molchen?“
Die Antwort hat mich nicht nur fasziniert, sondern auch nachdenklich gemacht.
Denn ChatGPT sagte sinngemäß:
„Ja, der Vergleich ist gar nicht so abwegig.“
Wir benutzen KI gerade auf eine Weise, die unheimlich nah an Čapeks Dystopie kommt:
Wir verstehen sie noch nicht ganz, aber nutzen sie täglich.
Wir machen uns abhängig - oft, ohne es zu merken.
Und wir könnten irgendwann die Kontrolle verlieren.
Denkt an den Tag, als ChatGPT mal für ein paar Stunden nicht erreichbar war.
Es war, als wäre das WLAN im ganzen Land ausgefallen.
LinkedIn fühlte sich plötzlich an wie Sonntagabend ohne Tatort.
Aber was ist eigentlich der Unterschied zwischen Mensch und Maschine?
Ich glaube: Verbindung.
Nicht WLAN - sondern echte menschliche Verbindung.
Dieses magische Ding, das passiert, wenn zwei Menschen sich anschauen, ohne etwas sagen zu müssen.
Die Tränen bei einer Geburt.
Das Lachen in einer stillen Küche um Mitternacht.
Der Moment, wenn man beim Teammeeting merkt: Wow, hier entsteht gerade was.
Und mal ehrlich:
Warum denken so viele, sie dürften ohne Kontrolle durch ChatGPT nichts mehr posten?
Warum muss eine Insta Story perfekt sein?
Warum darf ein Newsletter keinen kleinen Rechtschreibfehler haben?
Warum glauben wir: Wenn ChatGPT drübergeschaut hat, dann ist es jetzt „perfekt“
Ich glaube, jeder hat’s schon mal erlebt:
Man bittet ChatGPT, einen Post zu schreiben, der Reichweite bringt - präzise, perfekt, mit dem „Ziel“ klar formuliert.
Und dann kommt dieser glattpolierte Text: emotional, effizient, optimiert bis in den letzten Hashtag.
Du postest ihn - erwartungsvoll.
Und dann ... passiert: nichts.
Wenig Reaktion. Kaum Reichweite. Kein „Boom“.
Und du denkst dir: Moment mal - ich hab doch alles richtig gemacht?! Ich hab sogar gesagt, was das Ziel ist!
Wie kann das sein?
Vielleicht liegt’s daran, dass echt nicht gleich perfekt ist.
Und dass echte Verbindung sich nicht prompten lässt.
Ich habe eine Statistik gesehen (ja, wirklich!): Die zweitwichtigste Anwendung von ChatGPT im Jahr 2024 ist - haltet euch fest - Verbindung.
Menschen nutzen KI, um sich nicht mehr so allein zu fühlen.
Und das macht was mit mir.
Es ist schön - und traurig zugleich.
Aber, und das ist wichtig:
KI kann viel. Aber sie kann nicht fühlen.
Sie kann keine Umarmung ersetzen. Kein echtes Gespräch auf der Parkbank. Kein gemeinsam durchwachtes Nachtprojekt.
Sie kann gut simulieren - aber nicht spüren.
Und jetzt wird’s philosophisch:
Vielleicht ist genau das unsere Superkraft als Menschen.
Nicht Geschwindigkeit. Nicht Effizienz.
Sondern Empathie. Irritation. Nähe. Unsicherheit. Das ganze herrliche Chaos eben.
Es erinnert mich an etwas, das Nasim Taleb sagt:
„Small is beautiful.“
Kleine Teams. Kleine Gruppen. Kleine Gesten.
Dafür sind wir gemacht.
Wir sind keine Massensysteme.
Wir sind keine Algorithmen.
Wir sind Menschen.
Und wenn wir KI nutzen, dann bitte als Werkzeug, nicht als Ersatz.
Als Unterstützung, nicht als Mittelpunkt.
Als Molch mit GPS, vielleicht aber nicht als Gott mit Geschäftsmodell.
Was bleibt mir also?
Ich denke gerade viel darüber nach, was es heißt, Mensch zu sein.
Und ich hoffe, du nimmst dir heute einen Moment, um dich zu erinnern:
An das letzte echte Gespräch.
Den ehrlichen Blick.
Die Pause zwischen zwei Sätzen - und wie du dich dabei gefühlt hast.
Wie ein Mensch?
Vielleicht ist das unsere eigentliche Innovation:
Wieder Mensch sein - im Zeitalter der Maschinen.
PS: Wenn du auch gerade überlegst, wie du in deinem Team echte Verbindung stärkst - statt nur Tools zu stapeln - schreib mir. Vielleicht brauchen wir keine neue App. Sondern einfach nur einen Kaffee. Face to Face.
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